Altwerden beginnt im Kopf – Jungbleiben auch by Wolf Notker; Linder Leo G

Autor:Wolf, Notker; Linder, Leo G. [Wolf, Notker; Linder, Leo G.]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: adeo
veröffentlicht: 2015-08-30T16:00:00+00:00

13. Ehre Vater und Mutter

Ist mein Bild von den jungen Leuten zu rosig? Man fragt sich ja manchmal schon, ob wir Älteren überhaupt noch erwarten dürfen, von ihnen ernst genommen zu werden, oder ob wir derartig aus der Mode gekommen sind, dass unsere Ansichten gar nicht mehr von Belang sind.

Ich habe den Eindruck: Es wird schwieriger. In der Tat scheint der Facebook-Generation das offene Ohr abhandenzukommen. Nicht, dass sie nicht zuhören wollte. Aber wer sich in einen Zustand künstlicher Taubheit versetzt, dem gelingt das Zuhören einfach nicht mehr, und gleichzeitig macht dieser Zustand blind für jede andere Welt außerhalb der eigenen. Zweifellos gibt es sie, diese Tendenz, sich abzukapseln, sich in den Kokon einer elektrifizierten, technisierten Parallelwelt einzuspinnen, und sie macht mich skeptisch.

Andererseits – ist vielleicht auch mein Bild von den alten Leuten zu rosig? Muss man bei ihnen nicht allerlei Schrullen und Macken einkalkulieren, die sie in eine vergleichbare Parallelwelt einsperren? Ich meine damit nicht feststehende Gewohnheiten wie die der älteren Herren hier in Italien, sich am späten Vormittag auf den Weg in die Bar zu machen, um dort ein Gläschen Wein zu trinken – Gewohnheiten sind etwas sehr Schönes.

Aber es gibt den Altersstarrsinn, mit dem sich alte Leute in einer Welt aus Erinnerungen verbarrikadieren. Es gibt einen gewissen Wirklichkeitsverlust, der im Alter wahrscheinlich unvermeidlich ist, weil mit dem rasenden Tempo der Wirklichkeit kein Mensch mehr mithalten kann. Es gibt die Besserwisserei und die Alleskennerei.

Bei den einen heißt es: „Aber damals war es so, zu meiner Zeit hat man es so gemacht …“ Und bei den anderen heißt es, in diesem gequält-gelangweilten Ton: „Alles schon gesehen. Alles schon da gewesen. Das kenn ich, da war ich schon, das weiß ich längst, das hab ich doch gesagt …“ Wenn dies alles noch mit einer gewissen Schroffheit daherkommt, verliert man bald die Lust an solchen Leuten. Ab einem gewissen Alter mag es ja gelingen, über solche lästigen Eigenheiten hinwegzusehen, aber vorher nicht; bei jungen Leuten kommt dergleichen jedenfalls schlecht an.

Und davon abgesehen – alte Menschen sind in manchem eben von jungen grundverschieden. Mir fiel das wieder einmal auf, als ich in einem spanischen Kloster abends mit allen Mitbrüdern zusammensaß. Da erhob sich mitten im Gespräch ein alter Mönch und betätigte den Dimmer, um das Licht zu dämpfen. Er wollte Energie sparen.

Daraufhin fielen mir die älteren Mitbrüder in Sankt Ottilien ein, die einem manchmal das Licht vor der Nase ausschalteten, wenn sie den Raum verließen. Die Sparsamkeit der Nachkriegszeit saß einfach zu tief drin … Oder Bruder Adolf, unser Pförtner in Sankt Ottilien. Vor einem Telefonat schrieb er sich jedes Wort des bevorstehenden Gesprächs auf, um Telefonkosten zu sparen – nur kein Wort zu viel sagen, nur keine Sekunde länger als nötig telefonieren!

Im Zeitalter der Flatrates und der pausenlosen Handy-, iPhone- und Was-weiß-ich-Benutzung kommt einem diese Knausrigkeit bizarr vor, wie aus grauer Vorzeit, aber – ergeben sich da nicht doch überraschende Berührungspunkte zwischen Alt und Jung? Ist Energiesparen heute nicht wieder das große Thema? Natürlich sind die jungen Leute Kinder des Wachstums

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